Es herrscht Jubelstimmung im großen Sitzungssaal des Hildesheimer Rathauses. Die Gewinnerentwürfe des Fassadenkunst-Projekts „Stadtfeld zeigt Gesicht“ stehen fest! Über den großen Besprechungstisch hinweg prosten sich die Jury-Teilnehmenden und die Organisatoren mit alkoholfreien Sektgetränken zu.
Vorausgegangen waren lange und konzentrierte Diskussionen vor den Stellwänden im Hintergrund, an denen großformatig alle acht Auswahlentwürfe angebracht sind. Jedes einzelne Kunstwerk wurde hierbei von der Runde der ausgewählten Fachpersonen kritisch unter die Lupe genommen - denn immerhin sollen die Werke viele Jahre die Fassaden in der Triftäckerstraße zieren. Ein Leitfaden von Fragestellungen half den Juror*innen bei ihrem Analysegespräch. Wie ist die Gesamtwirkung des Kunstwerks? Ist seine Aussage entschlüsselbar? Wie passt es in seiner Farbigkeit? Funktioniert das Werk an eben dieser Fassade? Ergibt sich ein Zusammenspiel und Dialog zwischen den einzelnen Werken? Aus verschiedenen Blickwinkeln wurden die Entwürfe betrachtet, das Für und Wider abgewogen. Dabei war sich die Jury keineswegs immer einig.
Schließlich war der spannende Moment der Entscheidung gekommen. Die einzelnen Jury-Mitglieder gaben ihre Stimmen auf den Wahlpostkarten ab. „Das Schöne ist, dass hier ja eigentlich keine falsche Wahl getroffen werden kann!“ motivierte Veranstaltungsmoderatorin Kirsten Klehn. Denn, so ergänzte die Stadtplanerin vom Planungsbüro plan zwei aus Hannover: „Jeder Entwurf ist wirklich großartig und wäre es wert, umgesetzt zu werden.“ Viel falsch machen konnten die Entscheidungsträger*innen in diesem Moment also nicht.
Trotzdem lag Spannung in der Luft, als die Stimmen ausgezählt und im Gesamtergebnis berechnet waren und verkündet werden sollten.
Vorab erläuterte Moderatorin Klehn noch einmal das Verfahren: Vier Fassade sollen gestaltet werden. Jede Fassade wurde einem*r Künstler*in zugeordnet, der*die jeweils zwei Entwürfe vorgelegt hat. So liegen insgesamt acht Entwürfe für vier Fassaden vor. In der Voting-Phase konnten die Bürger*innen online oder manuell abstimmen und ihre Favoriten benennen. Die gesammelte Bürger*instimme zählt 50 Prozent. Die Stimme der Fachjury ergibt die anderen 50 Prozent für das Gesamtergebnis.
„Es war ein spannendes Rennen - bis zum Schluss!“ fasst Quartiersmanagerin Lena Rosenau die Stimmenauszählung des am 20. August beendeten Bürger*innen-Votings zusammen. Rund 300 Stimmzettel wurden online und offline gesammelt und ausgewertet. „Es ergab sich dabei oft ein Kopf-an-Kopf zwischen den Entwürfen für eine Fassade und manchmal trennten nur wenige Stimmen.“
„Alles in allem folgt die Jury-Meinung aber der Meinung aus dem Quartier!“ bemerkt Kirsten Klehn, die das Wahlergebnis der Jury neben die Ergebnisse des Bürger*innen-Votings hält. Zumindest in drei Fällen deckt sich die Jury-Meinung absolut mit der Entscheidung der Bürger*innen. Einzig bei den Entwürfen der Künstler*in JuMu Monster gehen die Meinungen innerhalb der Jury-Expert*innen auseinander. Hier war mit drei Stimmen das grüne Pferd favorisiert, während zwei Juror*innen für den Vogel plädierten. Dieser wurde wiederum von der Bevölkerung favorisiert. Gemeinsam mit den zwei Pro-Stimmen aus der Jury ergibt sich so eine Mehrheit für das Vogel-Motiv, das somit umgesetzt wird.
Jana Kegler, Mit-Geschäftsführerin von der Kulturfabrik Löseke e.V., freute sich, dass das Projekt „Stadtfeld zeigt Gesicht“ nun in die konkrete Umsetzung geht. Gemeinsam mit Maren Pfeiffer begleitet Stadtkultur-Aktivistin Kegler bereits seit 2021 die Umsetzung. Was „Stadtfeld zeigt Gesicht“ für sie besonders auszeichnet: „Es ist mehr als ein Graffiti-Projekt!“ Kegler erklärt: „Es ist ein partizipativer Prozess, der die künstlerische Energie und Vielfalt der Gemeinschaft im Stadtfeld aufgreift“.
In der ersten Phase des Beteiligungsprozesses gingen Kegler und Pfeiffer im Auftrag der Stadt Hildesheim in der Nachbarschaft auf Forschungsreise. „Was bedeutet es, wenn Stadtfeld sein Gesicht zeigt?“ Mit dieser Frage gingen sie den Gemeinschaften im Stadtteil auf die Spur – erst digital, dann auch auf den Straßen und an den Zäunen. Die Ergebnisse in Form von Zeichnungen, Fotografien und Gesprächsnotizen wurden in einer Broschüre aufbereitet. Diese wiederum wurde zur Grundlage und Inspirationsquelle der Künstlerinnen und Künstler für ihre Entwürfe.
Lene Wagner, Leiterin der Stabsstelle für Kultur und Stifungen der Stadt Hildesheim, zeigte sich zum Ende Jury-Sitzung begeistert von diesem Konzept. Gerade die vielfältigen Beteiligungen vor Ort und die Einbindung der Menschen im Stadtteil beschrieb sie als beeindruckend. „Eine tolle Herangehensweise!“ so Wagner. „Die Beteiligungen wurden vielschichtig und ernst umgesetzt. So werden die Menschen eingebunden und dadurch gewonnen. Schließlich sind es ja die Menschen, die tagtäglich daran vorbei gehen.“
Stadtbaurätin Andrea Döring freute sich über die Unterschiedlichkeit und hohe Qualität der künstlerischen Entwürfe. „Egal wie man entscheidet, es ist immer eine gute Entscheidung!“ fand Dezernats-Chefin Döring. Für Orstbürgermeisterin Sabine Sonnenberg war die Jurysitzung im großen Ratshaussaal sogar „die wohl schönste Sitzung, die ich hier in den letzten Jahren miterleben durfte!“ Als Ortspolitikerin hat Sonnenberg den Prozess von „Stadtfeld zeigt Gesicht“ eng begleitet. „Ich bin nun wirklich begeistert von dem Ergebnis!“ freut sich Sonnenberg.
Mehr Infos zu Stadtfeld zeigt Gesicht auf der Homepage der Kulturfabrik